Dieser Artikel wurde geschrieben von unserem NETZLEITER Kollegen Flamur Müller. Sie erreichen ihn telefonisch über 040 20949767
Windows on ARM verfügt über einen integrierten Emulator, welcher klassische Windows-Programme ausführbar macht. Bislang unterstützt dieser nur 32 Bit-Anwendungen, im kommenden Jahr sollen damit aber auch 64-Bit-Programme lauffähig gemacht werden. Seit letzter Woche können Windows Insider den neuen Emulator bereits ausprobieren. Unser Leser Flamur hat das getan und seine Eindrücke für uns aufgeschrieben:
Ich bin Surface-Nutzer der ersten Stunde. Damals war auch schon ARM das Thema. Allerdings war die Software noch nicht ausgereift gewesen, sodass wir heute nur noch in der Vergangenheitsform über Windows RT reden können. Auch Windows Mobile, ebenfalls auf ARM basierend, wurde nicht weiterentwickelt. Im Jahr 2019 kam mit dem Surface Pro X ein neues Gerät. Windows 10 ARM gibt es in seiner Form zwar bereits seit 2017, mit dem Pro X ist aber erstmals ein „Signature“-Gerät erschienen.
Nun zur Emulation von Windows on ARM
Microsoft hat mit der Windows x64-Emulation eine schwierige Aufgabe bekommen: Die x86-Emulation lief schon sehr ordentlich, aber der Mitbewerber Apple zeigt mit Rosetta 2 eindrucksvoll, wie stark eine Emulation sein kann. Aber wie kann das Microsoft selbst?
Wichtig vorab:
Die x64-Emulation ist in Entwicklung und somit im Alpha-/Beta-Status.
Es werden viele Dinge nicht wie gewünscht funktionieren. Ich habe den aktuellen Stand und die Performance verschiedener Programme auf folgenden Geräten miteinander verglichen:
- Surface Book 2 15“: Intel Core i7 8650U mit Undervolting, 16 GB RAM, GeForce GTX 1060, 1 TB SSD
- Surface Pro X: Microsoft SQ1, 16 GB RAM, 256 GB SSD
- Surface Go 2: Intel Pentium Gold 4425Y, 4 GB RAM, 64 GB eMMC
Temperaturen
Alle Geräte liefen im Höchstleistungsmodus und am Strom (bis auf 7-Zip, dort Akku), die Raumtemperatur lag bei 22°C.
Im Alltag, beispielsweise bei den Office-Anwendungen, spürt man keinen Unterschied. Da ich bestimmte Makros nutze, die nur mit 32-Bit funktionieren, kann ich die Performance der 64-Bit Version allerdings nicht beurteilen. Microsoft Teams gibt es seit Ende Oktober als ARM-App, die läuft bereits gut. Adobe CC erkennt den Unterbau der Hardware und verweigert die Installation der Apps, die es derzeit nur nativ als 32- oder 64-Bit gibt.
Erfreulicherweise gibt es mit Photoshop (BETA) und Lightroom bereits Apps der CC-Suite, die nativ laufen. Ich mache es kurz: Es gibt absolut keinen Unterschied, ob ich die Bilder auf meinem Surface Book 2 oder auf dem Pro X bearbeite. Die Ladezeiten einer 50 MB großen .psd in Photoshop sind mit rund 13 Sekunden praktisch gleich. Das grundsätzliche Bedientempo ist auf dem Pro X absolut vergleichbar.
Nächster Test: Was kann ich aus dem Microsoft Store installieren?
Im Prinzip: Fast alles, was nicht die GPU anspricht. Denn: Der Microsoft Store verweigert die Installation, sobald eine App oder ein Spiel nach dediziertem Grafikspeicher verlangt. Allerdings konnte ich Minecraft endlich auf dem Gerät installieren und war natürlich sehr gespannt, wie gut das Pro X das Spiel meistert. Die Einstellungen sind auf native Auflösung und maximale Details gesetzt worden. Und siehe da: Alles auf Anschlag, liegt die Min-FPS bei 24 und im Schnitt sind 33 FPS da. Also: Für eine kleine Runde mit entsprechend moderaten Details ist das absolut ok.
Spezial-Test
Ich hatte es geschafft, Assetto Corsa in x86 ans Laufen zu bringen, x64 quittiert das Spiel mit einem direkten Absturz. Der interne Benchmark lief in FullHD und in niedrigsten Details.
Das Ergebnis: Nach sehr langen Ladezeiten waren im Schnitt 32 FPS möglich. Die Min-FPS liegen bei 8. Interessant: Selbst in nativer Auflösung hatte ich exakt dieselben Ergebnisse. Das zeigt, dass die Emulation hier an ihre Grenzen stößt. Die GPU könnte mehr, wenn die Emulation performanter wäre.
Jetzt zu den Apps, die man wirklich in x64 emulieren kann:
Meine Software Jabra Direct für die Jabra-Headsets läuft unter x64. Ebenso 7-Zip, das es aber als Alpha auch nativ für ARM gibt. HwInfo64, NotePad++, Adobe Reader x64, VLC, Dell DisplayManager und Cinebench waren die Programme, die in der ersten Runde funktioniert hatten.
Zum Bedientempo kann ich nur sagen: Emulation? Solange es nicht anspruchsvoll wird, bekommt man davon nichts mit. Aber wie es aussieht, wenn es anspruchsvoller wird, sieht man in Cinebench R20 und R23:
Nach den Ergebnissen kann man grob sagen, dass die x64-Emulation in beiden Anwendungen Leistung kostet. Da Cinebench R23 eine 10-minütige Dauerschleife durchführt, ist der Turboboost vom Surface Book nicht so stark im Fokus. Das Surface Go schneidet erschreckend schwach ab.
Letzter Benchmark für heute ist 7-Zip
Dort habe ich neben einem 20-minütigen Test auch noch den Batterieverbrauch angeschaut. Siehe da: Sobald die Apps wirklich auf ARM optimiert sind, können die wirklich sehr effizient ihre Leistung entfalten. Während die Komprimierung beim Book ca. 25% schneller abläuft als beim SQ1, ist bei der Dekomprimierung der i7 rund 50% schneller als der SQ1, allerdings bei einem rund dreifachen Stromverbrauch. Ein Schnelltest mit der x64-App auf dem Pro X zeigt, dass die Emulation bei 7-Zip rund 30% Leistung kostet.
Im Geschäftsumfeld habe ich Monitoring-Programme von ESET und Datto nutzen können, die funktionierten vor der Bulid 21277 tatsächlich nicht und lassen sich nun als 64 Bit-Apps installieren, was für mich eine deutliche Verbesserung ist. Selbst unsere ERP-Software funktioniert in der Emulation und liefert dieselbe Geschwindigkeit ab, als würde ich auf einem x64-Gerät arbeiten.
Was funktioniert nicht?
- Native 64 Bit-Spiele, insbesondere mit Vulkan-API (keine GPU-Unterstützung)
- Druckertreiber aus der Domäne (Druck-Server)
- Adobe CC-Apps, die nicht auf ARM optimiert sind.
- PC Mark
- Geekbench 5 emuliert auf 64-Bit
- DATEV Sicherheits-Paket
- diverse alte Spiele, die bestimmte DX-Runtime-Pakete benötigen
- Veeam Backup (SQL-Server emuliert funktioniert, aber der VSS war nicht erreichbar).
Erstes vorläufiges Fazit: Ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet, erstaunlicherweise sind dann doch weniger Probleme aufgetaucht, als ich gedacht hatte. Keine Frage: Die Problemliste ist noch sehr lang (gerade Drucker-Treiber in Unternehmen sind ein absolutes Muss, wenn man das Gerät auch in Firmennetzen etablieren möchte), aber der erste Schritt ist getan.
Viel wichtiger ist die Erkenntnis bei den Prozessoren, auch wenn ich „nur“ den SQ1 habe: Qualcomm muss dringend leistungsfähigere SoCs bauen, wenn sie mit Apple mithalten wollen.